Europäische Notizen (7): Rumänien und die Folgen

Mit Spannung blickte das volksverbundene Lager Deutschlands nach Rumänien. Immerhin könnte man dort eine Blaupause erleben  – eine Blaupause womöglich für den gesamten Herrschaftsbereich der Europäischen Union. Es geht um Lawfare, um politische Kriegführung mit juristischen Mitteln gegen unliebsame, intransigente (und das heißt heute immer: »rechte«) Kräfte.

Erst Rumänien, dann Frankreich, dann beispielsweise Thüringen, also Deutschland?

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Götz Kubit­schek hat­te auf die­sem Blog die rumä­ni­schen Ereig­nis­se als nahe Ver­hält­nis­se unter­sucht:

In Rumä­ni­en hat­te das Ver­fas­sungs­ge­richt im Dezem­ber ent­schie­den, den ers­ten Gang der Prä­si­dent­schafts­wahl zu annul­lie­ren. Călin Geor­gescu, rechts­ge­rich­tet, hat­te ihn “über­ra­schend” gewon­nen. Es war etwas gesche­hen, das die­je­ni­gen, die davon aus­ge­hen, stets alles im Griff zu haben, nicht auf der Kar­te hatten.

(…) Die Ent­schei­dung in Buka­rest ist ein Staats­streich von oben, nichts anderes.

Das Resul­tat die­ses Pro­ze­de­re war, daß ein rech­ter »Ersatz­kan­di­dat« der gemä­ßig­te­ren und EU-kon­for­me­ren AUR-Par­tei als Ein­heits­kan­di­dat der ver­ei­nig­ten Rech­ten antrat.

Die Tages­schau mel­det nun, ein wenig ver­bit­tert:

Bei der Wie­der­ho­lung der Prä­si­den­ten­wahl in Rumä­ni­en hat der ultra­rech­te Kan­di­dat Geor­ge Simi­on im ers­ten Wahl­gang einen deut­li­chen Sieg errun­gen. Der Vor­sit­zen­de der rechts­ra­di­ka­len Par­tei AUR liegt mit rund 40 Pro­zent der Stim­men klar in Führung.

Sein Geg­ner in der kom­men­den Stich­wahl wird der Libe­ra­le Nicu­sor Dan sein, par­tei­lo­ser Bür­ger­meis­ter von Buka­rest. Er ver­ein­te 21 Pro­zent der abge­ge­be­nen Stim­men auf sich und über­hol­te reich­lich knapp Regie­rungs­freund Crin Anto­nes­cu, der nur 20 Pro­zent erzie­len konnte.

Am 18. Mai wird also erneut gewählt, und ich möch­te vor­her auf eine Beson­der­heit sowie auf eine The­se hin­wei­sen, die jeweils mit der Rumä­ni­en­wahl zu tun haben:

***

Die Beson­der­heit:

Das Züng­lein an der Waa­ge dürf­te die unga­ri­sche Min­der­heit sein. Fast eine Mil­li­on, die meis­ten von ihnen Sze­kler, sind im rumä­ni­schen Staats­ge­biet wahl­be­rech­tigt – und wäh­len, das zeigt bereits der ers­te Wahl­gang, eini­ger­ma­ßen geschlos­sen EU-freund­lich und libe­ral, dürf­ten also gegen Simi­on stim­men. Gemein­sam mit der Wäh­ler­schaft der im ers­ten Wahl­gang geschei­ter­ten Kan­di­da­ten, die sich der­zeit in einem »brei­ten Bünd­nis« gegen »rechts« for­mie­ren, dürf­te die Stich­wahl zuguns­ten Dans ent­schie­den werden.

Nun kann man aber aus die­sem beson­de­ren Fall all­ge­mei­ne Rück­schlüs­se zie­hen: Denn es ist eher die Regel als die Aus­nah­me, daß Min­der­hei­ten, die über ein star­kes iden­ti­tä­res, gemein­schafts­ori­en­tier­tes und natio­na­les Emp­fin­den ver­fü­gen, Poli­ti­ker bzw. Par­tei­en unter­stüt­zen bzw. wäh­len, die her­nach eine Poli­tik betrei­ben, die im Kern weder iden­ti­tär noch gemein­schafts­ori­en­tiert noch natio­nal dar­ge­bo­ten wird, son­dern libe­ral und individualistisch.

Es han­delt sich, so tri­vi­al wie fol­gen­schwer, dar­um, daß sich natio­na­le Min­der­hei­ten, die sich ihrer selbst bewußt sind, gegen den als über­grif­fig und oft als fremd wahr­ge­nom­me­nen Zen­tral­staat oppo­nie­ren. Rech­te Ungarn wäh­len in Rumä­ni­en links­li­be­ra­le Poli­ti­ker, volks­ver­bun­de­ne deutsch­stäm­mi­ge Ober­schle­si­er in Polen unter­stüt­zen links­li­be­ra­le Platt­for­men, iden­ti­tä­re Kata­la­nen plä­die­ren in Spa­ni­en für anti­na­tio­na­le, unver­hoh­len links gepräg­te Par­tei­en­bünd­nis­se usw. usf.

Das Sche­ma ist klar: Die Abkehr vom bzw. die Schwä­chung des zen­tral­staat­li­chen Wesen sieht man als Mög­lich­keit, die eige­nen eth­no­kul­tu­rel­len Inter­es­sen stär­ker ver­tre­ten und gewich­ten zu können.

Das stimmt, im Fal­le Rumä­ni­ens, kurz­fris­tig sicher­lich: Ein libe­ra­ler, EU-kon­for­mer Kan­di­dat, der in Buka­rest regie­ren wird, dürf­te stär­ker EU-Min­der­hei­ten­rech­te beach­ten als ein klas­si­scher Natio­nal­kon­ser­va­ti­ver. Doch lang­fris­tig gedacht: Wür­de den Ungarn, die ihrem von den EU-Eli­ten befeh­de­ten Hei­mat­land bekann­ter­ma­ßen ver­bun­den sind, nicht eine Schwä­chung der links­li­be­ra­len Hege­mo­nie auf dem gesam­ten Halb­kon­ti­nent eher entgegenkommen?

Und über­ge­ord­net gedacht: Wird es auf EU-euro­päi­scher Ebe­ne, ver­mit­telt über die drei exis­tie­ren­den Frak­tio­nen im Euro­päi­schen Par­la­ment rechts der »Mit­te«, end­lich Denk- und Stra­te­gie­an­sät­ze geben, wie man mit die­sem Wider­spruch – sehr ver­ein­facht: iden­ti­tä­re Euro­pä­er wäh­len anti-iden­ti­tä­re Par­tei­en zur kurz­fris­ti­gen Nut­zen­meh­rung – umzu­ge­hen hat? Gibt es hier Aus­we­ge aus der Pro­ble­ma­tik, die gesamt­eu­ro­pä­isch zu gestal­ten wären?

***

Nun zur These:

Simon Dett­mann, seit 2024 auch Autor die­ser Zeit­schrift, hat bei X auf die Unter­schie­de zwi­schen Călin Geor­gescu, dem im Zuge des Law­fa­re des Estab­lish­ments gestri­che­nen Rechts­kan­di­da­ten, und Geor­ge Simi­on, dem ange­tre­te­nen Rechts­kan­di­da­ten, hin­ge­wie­sen. Sein Stand­punkt: It’s the Geo­po­li­tik, stupid!

Kon­kret schreibt er:

Die „Geopolitik-first“-Fraktion hat von Tag zu Tag bes­se­re Argu­men­te auf ihrer Seite:

1. In Rumä­ni­en darf der Pro­west­ler Geor­ge Simi­on mit­spie­len, die Anti­west­ler Calin Geor­gescu UND! Dia­na Sosoa­ca dage­gen nicht. Dabei ist auch Simi­on ein strik­ter Einwanderungsgegner.

2. In der BRD darf nun auch die Links­par­tei auf Bun­des­ebe­ne mit­re­den – unmit­tel­bar nach­dem sie ihren west­kri­ti­schen bis anti­west­li­chen Flü­gel in Form des BSW abge­sto­ßen hat. Folg­lich gilt das Pri­mat der Geo­po­li­tik. Was die Herr­schen­den wirk­lich fürch­ten, ist der Blockwechsel.

Das sind Posi­tio­nen, die ein Min­der­heits­flü­gel der deutsch­spra­chi­gen non­kon­for­men Sze­ne­rie, etwa Dimi­tri­os Kis­ou­dis, schon län­ger so oder so ähn­lich vertreten.

Es wäre dem­nach kein Zufall, daß eine ehe­mals »har­te Rech­te« wie Gior­gia Melo­ni, die innen- und gesell­schafts­po­li­tisch natio­nal­kon­ser­va­tiv agiert, von NATO-Gene­ral­se­kre­tär Jens Stol­ten­berg herz­lich behan­delt wird, daß EU-Iko­ne Ursu­la von der Ley­en Melo­ni umstands­los ein­bet­tet, daß selbst deut­sche Grü­ne in Melo­ni kei­ne Gefahr mehr erken­nen kön­nen – all das, weil sie eben im geo­po­li­ti­schen Rah­men den »frei­en Wes­ten« ver­herr­licht, die Ukrai­ne stär­ken möch­te und ihre EU-Kri­tik durch EU-Affir­ma­ti­on ersetzt hat. Pri­mat der Geo­po­li­tik hie­ße hier: Die Herr­schen­den ver­zei­hen reak­tio­nä­re Flau­sen, solan­ge die geo­stra­te­gi­sche Gene­ral­li­nie gewahrt bleibt.

Man könn­te hier auch Alain de Benoist ins Spiel holen, der in der JF (Nr. 17/2025) for­mu­lier­te, daß der »herr­schen­den Klas­se«, sprich: jenen links­li­be­ra­len west­le­ri­schen Eli­ten, die der­zeit die EU domi­nie­ren, ange­sichts des Rechts­rucks in den Völ­kern Euro­pas »nur noch ein Aus­weg« blei­be: »den Ver­tre­tern der uner­wünsch­ten Stim­men die Teil­nah­me an Wah­len zu ver­weh­ren«, um her­nach, so darf Benoists Gedan­ken­gang ergänzt wer­den, sie durch west­kon­for­me­re Kan­di­da­ten, sie­he Rumä­ni­en (Simi­on statt Geor­gescu) und Frank­reich (Bar­del­la statt Le Pen), zu ersetzen.

Ein Rech­ter kan­di­diert wei­ter­hin, das kann man womög­lich nicht zur Gän­ze und in jedem Fall ver­hin­dern – aber dann wird es eben ein sol­cher, der sich der geo­po­li­ti­schen Kon­sens­ma­schi­ne­rie nicht wider­setzt, son­dern sich ein­fa­cher, schnel­ler und wider­stands­är­mer ein­bau­en ließe.

Gegen die­se The­se sprä­che, daß die Sor­tie­rungs­kämp­fe im »West­block«, die Trump und Van­ce ange­sto­ßen haben, den von Dett­mann ange­spro­che­nen »Block­wech­sel« letzt­lich über­flüs­sig machen könn­ten. Wozu soll­te man sei­ne geo­po­li­ti­sche Bünd­nis­struk­tur wech­seln, wenn man die­se auch, gewis­ser­ma­ßen von innen her, umge­stal­ten könn­te nach eige­nen Kri­te­ri­en und Vor­stel­lungs­wel­ten? (Wenn man es denn vor hät­te: Melo­ni hat es frei­lich nicht und bei Simi­on wür­de es erst die Zeit zeigen.)

***

Über bei­des, die Beson­der­heit der iden­ti­tä­ren Min­der­hei­ten und die The­se Dett­manns, wonach Geo­po­li­tik (zunächst) ent­schei­den­der sei als Inne­res, wäre es rat­sam, wenn fun­dier­te Dis­kus­sio­nen in den euro­päi­schen Rechts­la­gern in Gan­ge kämen. Es könn­te sein, daß bei­de The­men in den kom­men­den »Schick­sals­wah­len« der euro­päi­schen Län­der wich­ti­ger denn je werden.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (13)

John Beaufort

7. Mai 2025 12:05

"Gegen diese These spräche, daß die Sortierungskämpfe im »Westblock«, die Trump und Vance angestoßen haben, den von Dettmann angesprochenen »Blockwechsel« letztlich überflüssig machen könnten." Das spricht nicht unbedingt gegen die These, dass für 'das Regime' der geopolitische Block wichtiger ist als globalistische Positionen, Herr Kaiser. Denn 'das Regime', also unser weltanschaulicher Gegner, ist im Kern kein regierungspolitisches. Das Regime ist vielmehr der globale (vorwiegend in den USA ansässige) Finanzadel, der die Politik bloß als Vehikel seiner finanziellen Interessen nutzt. Die US-Regierung ist diesem Finanzadel nun aus den Händen gerutscht, die Regierungen von Frankreich, Großbritannien und Deutschland aber sind fest in seiner Hand. Nicht der von Ihnen zitierte Westblock betreibt eine Geopolitik sondern der Finanzadel, der den Westblock als sein Instrument geschaffen hat. Damit lässt sich die These des Primats der Geopolitik mit dem Wechsel der US-Regierung vereinbaren. Der "Block" ist nicht der Westen, sondern das globale Großkapital.

Umlautkombinat

7. Mai 2025 12:28

Die erste Frage zum Anfang des Artikels, die sich logischerweise stellt: Wenn Minderheiten mehr oder weniger prinzipiell gegen den Zentralstaat waehlen um ihn zu schwaechen, warum sollten sie das gerade bei dessen Auspraegung zum Identitaeren nicht tun? Denn diese Identitaet hat eine noch hoehere Wahrscheinlichkeit die Masse in einem Gegensatz zur Minderheit abbilden zu wollen, wenn diese Masse ethnisch definiert wird. Was sie bei der Mehrheit der Rechten ja soll. Beruhigend kann das gerade fuer Minderheiten per se nicht sein. Eine Aenderung bewirken erst Gruende die diesen Punkt ueberschreiben.
 
2) Was mich hier wieder nervt, ist die Verwendung der immer unangenehmst und primitivst moeglichen Interpretation von Begrifflichkeiten. Dazu gehoeren, nicht in diesem Artikel aber generell, Materialismus, im Artikel liberal und als trigger individualistisch.
 
Kubitschek hat mal ein RT Interview zu u.a. Sieferle gegeben in dem er geradegerueckt hat, dass Mythos nicht Maerchen - ebenfalls so eine Strassenbedeutung - ist. Und auch, das die Verschiebung in den Vulgaerbegriff eine agenda hat. Mit Individuum ist es genauso. Was hier gemeint ist, ist Vereinzelung und ihre Folgen. Ein echtes Individuum ist nicht zwingend vereinzelt, eher das Gegenteil. Und wenn es das einmal ist, dann schoepft es genau aus seinem Individualismus die Kraft damit umzugehen. Es gibt nicht zuviel Individualismus, es gibt weiterhin viel zuwenig.
 

Eldor

7. Mai 2025 14:03

Autoübersetzt aus dem Rumänischen folgende Artikelüberschrift von gestern: "George Simion auf die Frage, ob er Calin Georgescu zum Ministerpräsidenten ernennen werde: 'Ja, das ist die Verpflichtung [Zusicherung], die ich den Rumänen gegeben habe.'"

Laurenz

7. Mai 2025 15:34

@BK ... Haben nicht in der Ukraine die Minderheiten komplett mit dieser von Ihnen dargelegten Vorgehensweise auf die Fresse bekommen? Man wählte 2019 einen Schauspieler & Komödianten zum Präsidenten, der quasi heute noch als ideale Integrationsfigur im Westen zählt & bei seiner Wahl exakt den Minderheiten das Blaue vom Himmel versprach. Allerdings, wohl aufgrund innenpolitischer Zwänge, über die der Westen, wie so oft, großzügig hinwegsieht, radikalisierte Selenskyj aber das harte Vorgehen gegen Minderheiten & Kirche, so daß relativ schnell eine politische Eiszeit mit Orban ausbrach, die bis heute anhält. Auch die aktuelle ARTE-Doku (2024) bleibt betriebsblind. Das war 2021, also lange genug für Europäische Minderheiten, klarzusehen, nicht minder die Katalanischen Erfahrungen unter Puigdemont. @Umlautkombinat ... Ihre (& unsere) Befindlichkeiten interessieren keine Sau. Geopolitisch ist der Nachholbedarf an Materialismus bei über 6 Milliarden Erdenbürgern riesig. Daher auch der Rückgang an Religion & sonstigen Weltanschauungen. Der Islam ist eine Ausnahme. weil er seinen Anhängern Beute bei den anderen verspricht.

Monacensis

7. Mai 2025 16:19

Die regierungsnahe ungarische Presse kritisiert Georgescu bzw. Sirmion aus den von Herrn Kaiser genannten kurzfristigen Überlegungen heraus mit ähnlichen Argumentationsmustern wie die woke Linke Orbán. Freilich hat die Zahl der Ungarn schon im "nationalliberalen" bzw. "sozialdemokratischen" Rumänien trotz gewisser Minderheitenrechte dramatisch auf etwa 1 Mio. abgenommen.
Wünschenswert wäre ein Südtirol-Statut zumindest für das Szeklerland, wie Ungarn es fordert. Und danach vereint gegen die Globalisten, was ja mit der Slowakei trotz der parallelen Problematik ganz gut klappt.
Wenn das sich leerende Rumänien erst einmal wie Westeuropa von kulturkreisfremden Migranten besiedelt wird, haben weder Ungarn noch Rumänen etwas davon. Entsprechendes gilt für die Ukraine, was auch die Westukrainer in ihrem Kampf gegen Russland bedenken sollten.

Gracchus

7. Mai 2025 16:38

@Umlautkombinat: Ich empfehle Ihnen Wittgenstein II: "Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache." Und der variiert auch folglich je nach Kontext. Wir sind hier im Forum ja mehr "auf der Straße" als im "wissenschaftlichen Seminar", wo die von Ihnen angestrebte Begriffsreinheit allerdings auch nicht erreicht wird, zumal nicht in konotativer Hinsicht. 
 

Der Gehenkte

7. Mai 2025 16:55

"Die Abkehr vom bzw. die Schwächung des zentralstaatlichen Wesen sieht man als Möglichkeit, die eigenen ethnokulturellen Interessen stärker vertreten und gewichten zu können"
Das greift m.E. zu kurz oder ist zu kompliziert gedacht. Primär geht es um die Bedrohungslage. Der Ungarnverband in Rumänien (RMDSZ) hatte zur Wahl Antonescu unterstützt. Der hätte vielleicht sogar Platz 2 belegt, wenn die Wahlbeteiligung unter den Ungarn nicht unterdurchschnittlich gewesen wäre. Jetzt rief Kelemen Hunor (RMDSZ) zur Wahl Dans auf. 
Dahinter stecken ganz einfach Überlebensreflexe, da wird nicht geopolitisch gedacht. Simion ist ganz einfach Nationalist und magyarellenes (anti-ungarisch), sein Ziel ist die letztliche Auflösung der ung. Minderheit mit den klassischen Mitteln: Vermischung, Sprachverbot, Schulpolitik, Schikanen etc. Letztes Jahr machte ein Film Furore, der die Ängste der Ungarn gut gebündelt hat. Sollte Simion gewinnen, sind perspektivisch gewaltsame Konflikte nicht ausgeschlossen. 
Interessant auch, wie Fidesz und Tisza reagieren. Beide lehnen AUR ab. Tisza hatte von vornherein Dan unterstützt. Da ist das Hemd einfach näher als der Rock. Man darf auch nicht vergessen, daß RO durch die Ereignisse der letzten Monate politisch komplett aus dem Gleichgewicht gerutscht ist - das sieht nicht gut aus. 
 
 

brueckenbauer

7. Mai 2025 17:20

Bisher ist es nun mal so, dass die EU den identitären Minderheiten tatsächlich einen gewissen Schutz bietet. Innerhalb der EU wären die Übergriffe der ukrainischen Regierung auf die russische Minderheit nicht so leicht möglich gewesen. Natürlich, wenn sich die Ablehnung von allem "Völkischen" und "Identitären" weiter ausbreitet, wird das EU-Recht geändert werden müssen. Der Widerspruch wird sich in die eine oder andere Richtung auflösen, und erst dann wird das rechte Lager eine prinzipielle  Entscheidung treffen können. Bis dahin muss man ad hoc situationsangepasst entscheiden.

Majestyk

7. Mai 2025 19:57

Welche Macht duldet denn Seitenwechsel? In der Ukraine findet gerade ein Krieg statt weil diese die Seite wechseln will. Für den russischen Versuch das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine zu unterbinden zeigt so mancher Russophile Verständnis. Wenn der Westen oder vielmehr die EU nun seinerseits versuchten Seitenwechsel unterbindet ist genau das aber falsch. Gerade Rumänien profitiert doch von der innereuropäischen Umverteilung. Dass die EU versucht ihre Investitionen zu schützen erscheint mir logisch, gleich wie ich zur EU stehe. Weniger logisch erscheint mir, warum man ausgrechnet aus Rumänien mit dem Kreml liebäugelt. Litten die nicht angeblich mal unter einer prosowjetischen Diktatur? Ginge es nach mir gäbe es keine EU und garantiert würde kein deutsches Geld nach Rumänien fließen. Mußte Deutschland nicht einst von dort Deutsche freikaufen? Hat Rumänien eigentlich schonmal offiziell für die Behandlung der Deutschen um Entschuldigung gebeten? Wenn man aber Rumänien für viele Milliarden aufgepeppelt hat haben die Rumänen am hiesigen Markt teilzunehmen oder ich will mein Geld zurück. 

FraAimerich

7. Mai 2025 20:15

@Umlautkombinat
Darauf, daß in der modernen Massenkultur zu wenig Individualität aufscheint, könnte man sich einigen. Individualismus ist aber etwas anderes und als politische Philosophie und Wertesystem gut nachvollziehbar definiert, auch, was die problematischen Konsequenzen angeht. Welche Besserungen durch noch mehr Individualismus (und Materialismus) eintreten sollten und für wen, müßten Sie erst erklären. 

Umlautkombinat

7. Mai 2025 21:19

Na ja, @Gracchus. Man sieht sich hier schon gern in der Belesenheit (was ist Ihre eigene erste Reaktion - eine Buchempfehlung :). Aber wissenschaftlich ist das alles lange nicht, nicht mal geisteswissenschaftlich. Und dann darf man natuerlich nicht jammern, wenn andere in "rechts" auch alles reinstopfen, was ihnen gerade in den Kram passt. Es geht um ganz normale und keineswegs uebertriebene Differenziertheit im Wortgebrauch. 
 
Ich schrieb aber nicht umsonst von Agenda. Die erwaehnte Verflachung ist m.E. Teil des allgemeineren Problems einer nie abgebrochenen Schwierigkeit der Selbstdefinition der Rechten. Sie hadern damit, seit ich sie wahrnehme.  Da geht man dann auch mal bewusst(!) ins Unterkomplexe, um sich wenigstens irgendwie abzugrenzen. Nachteil: Man zerschlaegt eine Menge Porzellan, das man eigentlich dringend braeuchte.
 
@Laurenz, mimen Sie doch nicht immer den harten Kerl. Ich schreibe hier nicht ueber die materiellen Beduerfnisse der ganzen, und fuer die ganze, Welt. Sondern in einem Forum, in dem die meisten Leute ihre diesbezueglichen Grundbeduerfnisse (und wohl auch mehr) weiterhin befriedigt haben. Da findet sich natuerlich die eine oder andere Sau mit Interesse. Kontext, Kontext, Kontext...
 
 

Gracchus

7. Mai 2025 22:29

@Umlautkombinat: Ein Buch hab ich nicht direkt empfohlen. Das Zitat genügt ja. Es diente nur als Hinweis, dass ein Wort durch Gebrauch verschiedene Bedeutungen annehmen kann. Mit "Mythos" kann auch etwas Fiktives gemeint sein; mit einem Materialisten der Anhänger einer bestimmten Philosophie, oder jemand, für den das Streben nach materiellen Gütern das Höchste im Leben darstellt; Individualismus auch soziale Atomisierung ("linksliberal" scheint mir in der Reihe ein Sonderfall, aber man weiß, worauf es zielt). 

Umlautkombinat

7. Mai 2025 23:01

@FraAimerich
 
Ich muss hier gar nichts klaeren. Das ist schon fuer jeden einzelnen Begriff unmoeglich und wuerde nur zu end- und fruchtlosen Streitereien fuehren. Das wissen Sie ganz genau, also suggerieren Sie bitte nicht irgendeine Form von Bringepflicht. 
 
Ich meine, wer schon nicht die Bereitschaft hat, Materialismus als Kategorie in der gemeinten Bedeutung abseits von "Konsum", "physischer Besitz" oder auch "materielles Beduerfnis" - speziell in deren abwertenden Konnotationen - ueberhaupt zu benutzen, der ist fuer weitergehende Implikationen natuerlich schon gar nicht zu haben. Dieser Begriff hat eine ganz anders gelagerte und interessantere Definition. Ich schiebe hier keine Bugwellen, um ueberhaupt erst einmal dahin zu kommen.
Zumal selbst bei dieser Bereitschaft sofort ein Konflikt zu Religion, Glaube, die Rolle von Geist und Denken etc. auftritt, der allein schon zu einem Schlachtfeld fuehrt, welches nun schon Jahrtausende von unzaehligen schlauen Leuten ohne Pause beackert wird. Das loese nun sicher nicht ich hier in einem Miniforum in des Inders Net. Aber wenn Sie sich das selbst zutrauen - immer ran.